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Elektrisiert durch Irland
Klimaschutz und Elektromobilität sind derzeit in aller Munde, und trotzdem halten sich die Vorurteile gegenüber Reichweite und Ladezeiten. Dabei bewegt sich viel am Markt: Mittlerweile kommen die E-Autos hier an die Verbrenner heran.
Da derzeit verstärkt auf Elektromobilität gesetzt wird, stellt das zunehmende Angebot von Elektrofahrzeugen auch Otto Normalverbraucher mental vor neue Herausforderungen: Zum Beispiel ist da der interessante Fakt, dass viele der sonst nachhaltig agierenden Menschen bei ihrer alljährlichen Urlaubsplanung dann doch wieder auf die klassischen Verbrenner zurückgreifen. Die Sorge vor zu wenig Ladestationen auf zu viel Strecke gilt es zu entmythisieren.
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Im Folgenden begeben sich Sabine Neddermeyer und Anja Menzel für einen Selbstversuch auf eine einwöchige Tour. Eine Entdeckungsreise mit dem Elektroauto durch Irlands touristisch noch sehr unerschlossene nördlichste Grafschaft Donegal. In Dublin an der Ostküste geht’s los. Die Route: einmal quer durch, ab an die Westcoast Irlands, auf den Wild Atlantic Way. Hoch zu einem der nördlichsten Stücke dieser Küstenroute, wo einen hinter jeder Kurve neue atemberaubende Küstenlandschaftsaussichten erwarten. Mit einer Länge von 2.600 km ist der Wild Atlantic Way eine der längsten definierten Küstenrouten der Welt und führt am äußeren Rand Europas komplett entlang der irischen Westküste: von Kinsale in der Grafschaft Cork im Süden der Insel, bis hoch zur Inishowen-Halbinsel im Norden, durch die Grafschaften Kerry, Limerick, Clare, Galway, Mayo, Sligo, Leitrim und Donegal.
Bei der Autoübernahme in Dublin lassen sie sich kurz mit dem Elektroauto bekannt machen. Eine Einweisung in die zugehörige, kostenfreie App mit Übersicht aller Ladestationen ist kaum nötig, so selbsterklärend ist sie aufbereitet. Perfekt! In Sekundenschnelle laden sie die App auf ihr Smartphone und es kann los gehen.
Vorbei an verwunschenen, uralten Festungen und durch unglaublich beruhigend wirkende grüne Hügel ziehen einen die Slieve League Cliffs magisch an. Diese steil abfallenden Klippen gehören zu den höchsten und atemberaubendsten Meeresklippen Europas. Vom Wasser aus soll man einen herrlichen Blick darauf haben können. Dort treffen sie auf ihr erstes irisches Original. Kapitän Paddy Byrne, der selbst nicht des Schwimmens mächtig ist. Von Paddy lernen sie gleich am ersten Tag die wichtigste Weisheit, die man in diesem Land lernen kann: „You can never make plans in Ireland!“ Der Atlantik ist an diesem Tag eigentlich viel zu rau, um die Slieve League-Aussichtstour mit dem Boot zu machen, aber da sie schon mal dort sind fahren sie dennoch raus. Nach kurzer Zeit müssen sie aufgrund der Wetterlage jedoch auch schon wieder umdrehen. Bedingt durch den Golfstrom herrscht auf der grünen Insel das ganze Jahr hindurch zwar ein mildes, ausgeglichenes Klima; aber Wind und Regen: Davon gibt’s hier reichlich.
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Dem Seegang entkommen, sind die beiden gottfroh landseits zu den Klippen von Slieve League zu gelangen. Während des Aufstiegs zu Fuß zerzaust der strenge Wind die Haare und pustet dankenswerterweise aber auch gleich alle Alltagsgedanken mit weg. Zusätzlich zu dem Aufstiegsadrenalin breiten sich unsagbar schöne Ausblicke auf den Atlantischen Ozean, die Sligo Mountains und die Donegal Bucht aus, die jede Anstrengung lohnen. Oben angekommen, überragt die Felswand von Bunglas das Meer um 600 Meter. Das raubt einem schier den Atem, obgleich man hier für immer angewurzelt stehen bleiben mag.
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Bezeichnend für diese Region ist, dass einen hinter jeder Kurve dieser zauberhaften Küstenstraße ein neues Vergnügen erwartet. Visuell sind es immer wieder die Schafe, und das liegt nicht an ihrer farblichen Kennzeichnung auf dem Fell. Es ist wahrscheinlich eher die Ruhe, die die an den sattgrünen und von Straßen durchzogenen Wiesen gemütlich und scheinbar frei von Angst stehenden Wesen ausstrahlen. Es macht einen glücklich, zu realisieren, dass man mit einem elektrischen Buddy gerade anders als gewohnt durch die Natur zieht – nämlich verdammt leise und somit auch für die Tiere beinahe unbemerkt.
Apropos Sound: Traditionelle irische Musik kann man auf einer Tour durch Irland an jedem einzelnen Abend bekommen. Und meistens lässt sich im Vorfeld nicht wirklich erahnen, was einen bei so einem Abend erwartet.
So richtig emotional berührte sie, was sie in Malinbeg bei Meghan und Francis John Cunningham erleben: eine Demonstration der tiefsten Vertrautheit zwischen Mensch und Hund. Auf der Familienfarm Away to me hat man Mühe zu realisieren, dass die hiesigen Border Collie Hütehunde intelligenter sind, als man es je für möglich gehalten hätte.
FJ fing mit 10 Jahren an, Schafe und Hütehunde zu züchten. Onkel Hugh gab ihm seine ersten sechs Schafe, einen Monat später seinen ersten Welpen und – zack! – eine lebenslange Leidenschaft für die Landwirtschaft und die Ausbildung von Hütehunden war geboren. 12 Hunde und 300 Schafe leben auf der Arbeitsfarm.
Ein Blick in das Gesicht des Hundes macht klar, dass man es mit einer ausgeprägten Persönlichkeit zu tun hat. Die typische Arbeitsweise besteht aus speziellen Bögen um die Schafe, die zusammengetrieben werden sollen. Der Hund schleicht sich dabei wie ein Wolf an seine Beute an: Der Vorderkörper wird abgesenkt, die Rute ist konzentriert eingezogen, der Blick fixiert die Beute und der Schritt ist langsam. Diese typische Körperhaltung in Verbindung mit einem entschlossenen Vorwärtsdrang sowie dem starr auf das Schaf gerichteten Blick löst eine instinktive Fluchtreaktion beim Schaf aus. In unwegsamem Gelände ist das besonders wichtig, damit sich die Schafe nicht zu Tode stürzen. Border Collies müssen deswegen auf Kommando exakt stoppen und sich im Tempo regulieren lassen.
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Ein unerwartet gelungener Roadtrip durch eine noch herrlich ungesehene spektakuläre irische Küstenlandschaft und eine smarte Art zu reisen. Das Thema Ladesäulen, auch in dieser nordwestlichen Region Irlands, ist zweifelsohne fantastisch gelöst. Unerwartet hoch ist die Dichte der Ladestationen. Per App lässt sich in Irland hervorragend auch in absolut unbekanntem Terrain über Tag Strecke machen und in der Nacht die Akkus aufladen. Als ob es einem selbst nicht anders ginge bei so viel optischem Input?
Einziger Wermutstropfen: nicht die kurze Reichweite, sondern der zu kurz eingereichte Urlaub.