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Musikabend im Crosskeys Inn
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„Er erklärt ihnen nur die Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften“, sagt Ciara Hurl und neigt den Kopf in Richtung ihres Vaters. Vincent Hurl ist behende in den Bus von CIE Tours geklettert, um Tourleiter Joe Griffin und die nordamerikanischen Besucher zu begrüßen, die er in diese ruhige Ecke des ländlichen Antrim in Nordirland gebracht hat.
Wir stehen vor der gelben Tür von Irlands ältestem reetgedeckten Pub, dem Crosskeys Inn. Hier befindet sich ist seit mindestens 1771 ein Pub – ein „bekanntes Public House, in dem die Misses Boyd wohnen“, wie es in schriftlichen Aufzeichnungen aus der Zeit heißt –, obwohl die Radiokarbondatierung der alten Balken hinter den weiß getünchten Wänden durch die Queen's University Belfast das Cottage bis ins 17. Jahrhundert zurück datiert.
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Crosskeys Inn, Grafschaft Antrim
Ich betrachte die sattgrüne Kreuzung, die vom letzten Regenschauer glitzert. Ich habe gelesen, dass diese Kreuzung einst an der Hauptkutschenstraße von Belfast nach Derry~Londonderry lag, die nördlich des Lough Neagh vorbeiführte. Auch wenn es sich im 19. Jahrhundert um eine belebte Hauptverkehrsstraße handelte, mutet sie an diesem sonnigen Augustnachmittag überaus verschlafen an.
Lachen dringt aus dem Bus und holt mich in die Gegenwart zurück. „Gesundheit und Sicherheit?“, frage ich Ciara und wundere mich, welche Gefahren an einem der beliebtesten Orte des Landes bei einer traditionellen irischen Musiksession lauern könnten.
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Vincent Hurl, Besitzer des Crosskeys Inn
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Ciara Hurl
Traktoren, so erzählt sie mir, und zwar jede Menge davon. Offenbar sind sie schneller, als man denkt, vor allem jetzt in der Silagesaison. Auch niedrige Hauseingänge, die nicht für uns Riesen des 21. Jahrhunderts gebaut sind. Und unebene Böden in einem Gebäude, das sich im Laufe der Jahre kaum verändert hat – trotz eines verheerenden Brandes im Jahr 2000, dem Jahr, bevor Vincent das Pub kaufte.
Die anschließende Restaurierung wurde von einigen Stammmusikern des Pubs unterstützt, die ein Album aufnahmen, um Geld für den Wiederaufbau zu sammeln. Gemeinschaften wie diese hier im Crosskeys Inn verstehen, dass sie Hüter von etwas sind, das es wert ist, bewahrt zu werden.
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Das Innere des Crosskeys Inn
Nachdem wir den niedrigen Hauseingang und die unebenen Böden mit Erfolg passiert haben, sitzen wir bald alle im vorderen Raum des Cottage, wo die Besitzer des Crosskeys Inn uns voller Gastfreundlichkeit mit schaumigen Pints, Kannen mit heißem Tee und anderen Erfrischungen bewirten.
Ein Stück Torf hält ein Schiebefenster auf, um frische Luft hereinzulassen, und im Kamin brennt auch Torf. Über dem Kamin hängt ein Schwarz-Weiß-Foto von jungen Burschen in Kniehosen, die vor den weiß getünchten Wänden des Pubs stehen. An einer anderen Wand ist eine Skizze von drei Musikern zu sehen: einer ist jung, zwei sind alt genug, um ein ganzes Leben an Melodien weiterzugeben.
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Das Innere des Crosskeys Inn
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Das Innere des Crosskeys Inn
Vier Musiker sitzen auf einer Eckbank und unterhalten uns mit Geschichten, Gesang und traditionellen Melodien – vielen Melodien. Wie ihr Hauptsänger und Gitarrist Paul sagt: „Unsere Musik ist zum Tanzen gedacht und unsere Songs zum Geschichtenerzählen – und wir tanzen sogar noch lieber als wir Geschichten erzählen.“
Er liebt offensichtlich gute Geschichten und erzählt, dass er die Ballade Grace einst in genau der Zelle im Kilmainham Gaol sang, in der der Rebellenanführer Joseph Plunkett seine Verlobte Grace Gifford heiratete, nur wenige Stunden bevor er für seine Rolle beim Osteraufstand von 1916 hingerichtet wurde.
Auf einem Foto an der Wand aus dem Jahr 1975 kann uns Paul stolz sein jugendliches Selbst zeigen. Er versichert uns, dass sich der Pub „kein bisschen verändert hat“, selbst mit neuen Besitzern und nach einer Rekonstruktion.
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Gabriel Irissari an der Mandoline und Paul Hamill an der Gitarre
Neben Paul, dessen Tätowierungen unter seinem Ramones-T-Shirt auszumachen sind, während er wie ein Engel Mandoline und Banjo spielt, ist Gabriel. Gabriel wurde in Argentinien geboren, machte vor 30 Jahren Urlaub in Irland und ist jetzt mit einer Einheimischen verheiratet.
Er erinnert sich an das erste Mal, als er Folkmusik im Fernsehen hörte. „Ich sagte: 'Was ist das? Ich liebe es!'“ Er begann, sich selbst zu unterrichten, als er in Argentinien lebte, und spielt jetzt bei mindestens einer der wöchentlichen Live-Musiksessions im Crosskeys Inn.
Auch ein junger, Hozier ähnelnder Mann mit ordentlich zurückgebundenen langen Haaren nimmt an der heutigen Session teil. Alexander wechselt zwischen mehreren Instrumenten. Das eine ist ein wunderschönes Banjo, das 1932 in den USA hergestellt wurde, das andere eine Ziehharmonika, die er erst vor drei Monaten zum ersten Mal in die Hand nahm. Er lernt offensichtlich schnell!
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Frank Cassidy spielt die Bouzouki
Neben ihm ist Frank, ein pensionierter Schullehrer aus Belfast. „Es ist eine große Erleichterung, in dieser Phase meines Lebens darüber zu singen, wie in der Schule nicht hart gearbeitet werden muss“, scherzt er, bevor er ein altes Lied über das Belfast seiner Kindheit singt, in dem die Schule geschwänzt wird, um im Hafenviertel der Stadt Abenteuer zu erleben.
Als jemand, der regelmäßig sowohl in der schottischen Dudelsacktradition als auch in einer irischsprachigen Band spielt, fühlt sich Frank in beiden Musikrichtungen zu Hause und kombiniert sie auch mal gerne. „Wenn sich die Dinge nicht weiterentwickeln, ist die Musik keine Tradition mehr, sondern zum Stillstand gekommen.“
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Frank Cassidy
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Bouzouki
Als Lehrer verwandelt Frank eine Frage über seine Bouzouki in eine improvisierte Geschichtsstunde über gängige Instrumente in der traditionellen Folkmusikszene.
Die achtsaitige irische Bouzouki, erfahren wir, wurde in den 1970er Jahren von der griechischen Bouzouki abgeleitet. „Jemand hatte die geniale Idee, dass sie bei irischer Folkmusik wunderschön dazupassen würde“, erzählt Frank.
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Paddy Walls am Banjo
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John McCann auf dem Akkordeon
Gitarren kamen schon etwas früher, in den 1950er und 1960er Jahren, Banjos erst im späten 20. Jahrhundert. „Ziehharmonikas und Akkordeons kamen im 19. Jahrhundert aus Deutschland“, meint Frank abschließend, „und Fiedeln hielten im 18. Jahrhundert hier Einzug.“
Daher rechne ich mit einem Hauch von Zeitreisebegeisterung nach, dass es durchaus möglich ist, dass hier im Pub der Misses Boyd im Jahr 1771 Geige gespielt wurde. Das ist sogar wahrscheinlich, wenn man die große Tradition der Fiedel hier in der Grafschaft Antrim bedenkt.
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Molly Walls an der Geige
Frank beschreibt den lokalen Geigenstil als „beschwingter“ als anderswo. Man nehme zum Beispiel eine Melodie wie The Green Glens of Antrim: „Man könnte sie fast spielen und singen“, erklärt er, „während einige Melodien aus Wexford zu schnell sind, um dazu zu singen.“
Wie ich höre, ist die junge lokale Geigerin Molly Walls ebenfalls ein Stammgast. Das Gleiche gilt für ihre Zwillingsschwestern Jane und Cara, die die Uilleann Pipes und die irische Harfe spielen, sowie für ihren Banjo spielenden Bruder Paddy. Sie sind ein stolzes Beispiel für die nächste Generation, die die traditionelle Musik in der Region am Leben erhält.
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Eine mitreißende Session im Crosskeys Inn
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Eine mitreißende Session im Crosskeys Inn
Wie in den meisten traditionellen Musikpubs während der alljährlichen Pilgerfahrt zum inselweiten Musikfestival Fleadh Cheoil na hÉireann ist es auch im The Crosskeys Inn an diesem Wochenende ruhig. Wenn Sie zu anderen Zeiten an einem Samstag oder Sonntag hier vorbeischauen, können Sie durchaus fünfzehn oder mehr Musiker bei einer Folksession erleben.
Man weiß nie, auf wen man hier alles treffen kann: der legendäre Bodhrán-Spieler und -Hersteller Seamus O'Kane ist ein Stammgast, ebenso wie viele All-Ireland Fleadh Champions. Diese „organische Natur der Session“ ist etwas, das CIE-Tourleiter Joe Griffin an diesem Ort besonders liebt. „Es ist egal, wer herkommt: Die Musik ist nie enttäuschend – und jedes Mal anders.“
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Traditionelle Musiksession im Crosskeys Inn
Die Musiker sind stolz darauf, jeden willkommen zu heißen, und die Session wird langsamer gestaltet, wenn es gilt, Anfänger zu integrieren.
„Schlussendlich müssen wir sicherstellen, dass jeder bei der Session mitspielen kann“, erklärt Paul später. „Bei unseren Musiksessions im Crosskeys verfolgen wir ein wesentliches Ziel – sicherzustellen, dass die Musik für die nächste Generation erhalten bleibt.“
Frank stimmt zu. „Es geht darum, die großartige Musik über Generationen hinweg weiterzugeben und am Leben zu erhalten.“
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The Crosskeys Inn, Grafschaft Antrim
Während wir hier sitzen und den Jigs, Reels, Hornpipes und alten und neuen Balladen lauschen, die alle von dieser talentierten Gruppe mit Leidenschaft und Stolz zum Besten gegeben werden, wird klar, dass es sich hier um engagierte Hüter der Folkmusik handelt. Von den Boyd-Schwestern in der Vergangenheit über die Walls-Schwestern in der Gegenwart und bis hin zu allen kommenden Generationen hat die Folkmusik stets ein festes Standbein und ihre Zukunft ist gesichert.