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Mein Irland
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- Erstellungsdatum 28 March 2019
Geschichten, Schritt für Schritt
Wer mit einem Storyteller durch Irland wandert, erlebt eine ganz andere Insel. Und wundert sich am Ende des Tages darüber, wie schnell fünfzehn Kilometer geschafft sind. (Oder zwanzig.)
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An einem jener Tage, an denen sich die Welt nur mühsam aus Dunst und Nebel heraus ackert und Irland wie in Watte verpackt scheint, stehen wir morgens im Gleann na Huamha auf der Dingle Peninsula und hören zu. Mike ist ein walking storyteller, ein Wanderführer, der unterwegs Geschichten erzählt, und dieses Gleann ist: ein Tal, ein gurgelnder Bach flankiert von Bäumen, Weideland, Schafe, ein steiler Felshang rechts, ein anderer links, übereinandergestapelte Steinplatten auf beiden Seiten – und Stille. Als ob man in eine andere Welt hinein gewandert sei, der man den Ton abgedreht hat, so kommt es einem vor. Verzaubert. Mystisch. "Es ist noch nicht lange her", beginnt Mike, "da wusste man nichts von Eiszeiten und Gletschern, und nichts über das, was sie in Jahrtausenden mit den Bergen anstellen können. Damals erzählten sich die Leute die Geschichte von zwei Riesen, die wegen einer Frau in Streit geraten waren und sich deswegen von den gegenüberliegenden Bergen aus mit Steinen bewarfen. Weil sie so schlecht zielten, warfen sie viele Tage lang, und aus den Tagen wurden Wochen und Jahre, und deshalb liegen in diesem Tal auf beiden Seiten all diese Steine herum." Er schweigt, als lausche er seinen Worten hinterher, wie sie sich davon machen in das Tal, in dem einst zwei Riesen kämpften. Bis ein Schaf herzzerreißend blökt. Dann erst gehen wir weiter.
So ist das, wenn man in Irland mit einem Storyteller wandert: Man erlebt eine ganz andere Insel. Natürlich sind Uferpfade immer noch Uferpfade und Wiesen noch immer Wiesen (und Täler natürlich immer noch Täler), mit einem erzählenden Wanderführer aber bekommt das alles eine ganz neue Dimension. Guides wie Mike haben sich schon immer für die Geschichte Irlands interessiert. Allerdings nicht für die, die man in jedem Schulbuch nachlesen kann – eher für die andere, die zwischen den Zeilen verborgen ist. Beziehungsweise: Überhaupt nicht in den Büchern steht, sondern entlang der Steinmauern geschrieben ist, mitten in den rollenden Hügeln, am Rande der Klippen, auf den Kämmen der Wellen. Wer mit solchen Leuten unterwegs ist, erfährt nicht bloß unglaubliche Dinge über sein Lieblingsland – er wundert sich am Ende des Tages auch, wie schnell die fünfzehn Etappenkilometer vorbei gegangen sind. Oder die zwanzig.
Es gibt in Irland etliche Wander-Veranstalter, deren Guides sich auf das Erzählen spezialisiert haben (man findet sie, wenn man online nach den Begriffen „walking“ und „storytelling“ sucht). Man kann für ein paar Stunden mit ihnen über die Wiesen ziehen oder auch eine ganze Woche unterwegs sein. Auf jeden Fall wird man mit einer Sammlung an Geschichten zurückkommen. Die man übrigens wunderbar weitererzählen kann, wenn man das nächste Mal zuhause wandert.